American Psycho und Elementarteilchen: Hier lege ich dem geneigten Internetsurfer zwei Werke ans Herz, die den Zeitgeist unserer Epoche von allen literarischen Werken der
letzen Dekade wohl am treffendsten und schonungslosesten demaskieren.
Das erste Werk "American Psycho" von Bret Easton Ellis wurde zu Beginn der neunziger Jahre geschrieben und reflektiert noch das
Aufkommen der Yuppie-Generation in den achtziger Jahren. Das Buch des Franzosen Michel Houellebecq mit dem Titel
"Elementarteilchen" erschien dagegen zum Ende der Neunziger (1998). Houellebecq geht in seiner Betrachtung noch weiter zurück,
bis zur Generation der 68er-Bewegung, zielt mit seinen (noch) utopischen Denkspielen aber auch in die Zukunft der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit.
Beide Bücher sorgten nach ihrer Erscheinung sofort für erheblichen Wirbel. Ein sehr guter Anhaltspunkt dafür, daß beide Schriften
nicht nur belletristische Ergüsse beinhalten, sondern der Gesellschaft ihr kritisch geschärftes Spiegelbild vorhalten. In den zwei Werken geht es vor allem um die Bindungslosigkeit des postmodernen Individuums. In einer oberflächlichen Welt des
lustgesteuerten Konsums gibt es für die Protagonisten der beiden Romane nur zwei Möglichkeiten: Entweder lassen sie sich auf das
allgemeine Treiben ein und versuchen dabei so gut die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, wie es ihnen möglich ist, oder sie ziehen
sich vollkommen in ihr Innenleben zurück. Während Ellis` Romanheld Patrick Bateman beide Möglichkeiten in sich vereint, verteilt
Houellebecq diese auf zwei Charaktere, Michel Djerzinski und Bruno, die jedoch miteinander in einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis stehen (Halbbrüder).
Es gibt aber einen gravierenden Unterschied: Patrick Bateman gehört sowohl im Berufsleben als auch bei der Befriedigung seines
Trieblebens zu den außerordentlich erfolgreichen Menschen, für den es in seinem Drang nach Selbstverwirklichung keinerlei Grenzen
gibt. Das geht bis zur (tatsächlichen) Einverleibung anderer Menschen. Michel Djerzinski konzentriert seine Erfolgsbemühungen
dagegen zwar erfolgreich auf sein berufliches Weiterkommen als Biologe, bezahlt dieses Engagement allerdings mit seiner Unfähigkeit,
zu einem zufriedenstellenden sozialen Leben zu kommen. Darauf setzt hingegen sein Bruder Bruno, der aber ebenfalls scheitert, weil
ihm nicht alle Türen und Herzen offenstehen, wie es bei dem schönen, gebildeten und reichen Patrick Bateman aus “American Psycho” der Fall ist.
Zusammengefaßt enthalten beide Romane eine beißende Kritik an der hemmungslosen Hingabe der meisten Zeitgenossen an einen
völlig überzogenen Individualismus, der förmlich über die Grenzen der Freiheit anderer Menschen hinweggehen muß, um befriedigend
wirken zu können. Sie zeigen aber zudem, neben dieser psychopathischen Angehensweise, die neurotische Variante als Antwort auf das zeitgenössische Treiben der Gesellschaft. Wohl niemals zuvor war die Kluft zwischen dem Willen zum Unterjochen und
Instrumentalisieren anderer Menschen zur eigenen (vor allem auch sexueller) Triebbefriedigung und dem Wunsch, unbehelligt und
ruhig einem geregeltem Leben nachzugehen, so groß, wie in unserer Epoche. Dieser Sachverhalt wurde bei Ellis und Houellebecq aufgenommen, beschrieben und, zumindest im Werk des Franzosen, analysiert.
Beide Bücher sind absolut lesenswert und stellen zudem gute und streitbare Diskussionsgrundlagen dar (allein wegen Houellebecqs
Einbindung der Gentechnologie als (utopische) Lösungsmöglichkeit, um die vollkommen sexualisierte und aggressive menschliche Gesellschaft in eine versöhnlichere Gemeinschaft zu verwandeln).
Michel Houellebecq: Elementarteilchen. DuMont. Köln 1999. ISBN 3-7701-4879-7. 44.- DM. Bret Easton Ellis: American Psycho. Kiepenheuer & Witsch. Köln 18.Auflage 1999. ISBN 3-462-02261-x. 24,90 DM.
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